Der Orden und seine Geschichte

Ordensgeschichte

Kirche des Leprosen-Hopitals vor den Mauern Jerusalems neben dem Tankred-Turm; vor 1167, Jerusalemkarte von Cambrai

Der Lazarus-Orden geht aus der monastischen Spitalsbruderschaft vom Heiligen Lazarus hervor, die vor den Stadtmauern Jerusalems ein Leprosen-Hospital betreibt, dessen Gründung in das 4. Jahrhundert zurückreicht. Die Spitalsbruderschaft der Lazariter Brüder vor den Mauern Jerusalems ist seit dem 6. Jahrhundert evident.

 

Der Wandel von der Spitalsbruderschaft zu einer ritterlichen Ordensgemeinschaft vollzieht sich für den Lazarus-Orden im Verlauf des 12. Jahrhunderts und fällt in die Zeit nach der christlichen Eroberung der Heiligen Stadt im Jahr 1099. Ein genaues Jahr ist dazu nicht überliefert.
Infolge der Entwicklung im Königreich Jerusalem wächst der Orden und übernimmt neben seiner hospitalischen Ausrichtung nach dem Jahr 1120 zunehmend militärische Aufgaben.
Mit Ende des 12. Jahrhunderts vollzieht sich die Umwandlung in einen militärischen Orden.

 

Ritter des Lazarus-Ordens nehmen fortan auch an historischen Schlachten im Heiligen Land teil. Das grüne Kreuz auf weißem Grund etabliert sich als Ordenssymbol.
Neben der Verteidigung des Christentums bleibt der hospitalische Dienst an Aussätzigen gleichwertig als Auftrag des Ordens erhalten.

Großmeister Thomas de Sainville begründet die abendländische Tradition des Ordens mit Magistralsitz in Frankreich

Mit dem Fall der Stadt Akkon im Jahr 1291 geht der Christenheit die letzte Kreuzfahrerbastion und das Heilige Land verloren.
Der Lazarus-Orden verlegte seinen Hauptsitz in den folgenden Jahren nach Zypern, Sizilien und schließlich nach Frankreich mit Sitz in Boigny nahe Orleans.

 

Im 12. und 13. Jahrhundert erfährt der Orden eine prosperierende Entwicklung. Seit 1154 waren in Europa zahlreiche Ordensniederlassungen entstanden. Dorthin verlagert sich nach Verlust des Heiligen Landes das hospitalische Wirken des Ordens.

 

Im Jahr 1308 nimmt König Philipp IV. von Frankreich den Orden unter seinen besonderen Schutz und begründet damit das erbliche Protektorat der französischen Krone über den Lazarus-Orden, das bis 1883 andauern soll. Militärische Aktivitäten enden im 14. und 15. Jahrhundert fast gänzlich. Der Orden bleibt seinem hospitalischen Auftrag allein verpflichtet und entfaltet umfangreiches mildtätiges Wirken.

 

Die Gunst der Päpste und der französischen Könige sowie anderer Herrscher ermöglichen dem Orden die Gründung zahlreicher Niederlassungen und Expansion bis in das 16. Jahrhundert. In Frankreich führt das königliche Protektorat über den Orden zur besonderen Blüte.

 

Im Konkordat von Bologna schließen König und Papst 1516 ein Abkommen, das der französische Krone fast unbegrenzt Kontrolle über die Kirche in Frankreich, deren Ämter und Besitz gewährt. Die französische Kirche ist dem König unterstellt, dem das Ernennungsrecht für alle kirchlichen Ämter in Frankreich obliegt. Fortan bestellt der König neben Bischöfen und Äbten auch die Großmeister des Lazarus-Ordens, die im Prälaten-Rang stehen.
Die kirchlichen Vorrechte – Gallikanismus genannt – und das königliche Protektorat über den Orden erlauben diesem stete Prosperität in Frankreich.

 

Beträchtliche Einschnitte erlebt der Orden im 16. Jahrhundert außerhalb Frankreichs. Im Jahr 1517 spaltet sich das Priorat von Capua vom Orden ab und geht 1572 im Orden der Heiligen Lazarus und Mauritius unter der Savoyischen Krone auf. Im Heiligen Römischen Reich gehen zahlreiche Ordensniederlassungen infolge der Reformation verloren. Selbiges geschieht in England als Heinrich VIII. im Jahr 1534 mit Rom bricht.
In Frankreich entgeht der Orden derartigen Enteignungen durch das Protektorat der Krone.

König Heinrich IV. ist dem Lazarus-Orden besonders zugetan. Im Jahr 1608 erfolgt nach seinem Wunsch die Verbindung des Lazarus-Ordens mit dem “Militärischen Orden unserer Lieben Frau vom Berg Carmel” als Doppelorden unter demselben Großmeister – sie dauert bis ins Jahr 1779 an.
Im Zuge dieser Verbindung entfaltet der Lazarus-Orden auch wieder militärische Aktivitäten. Ab 1612 verfügt der Orden über eigene Kriegsschiffe und übernimmt militärische Aufgaben zu Lande und zu Wasser für die französische Krone. Die Ordensflotte wächst bis 1668 auf zehn Fregatten an und bekämpft Piraterie.

Zu dieser Zeit besteht der Orden in Frankreich aus den fünf Großprioraten Normandie, Burgund, Bretagne, Languedoc und Flandern. Die Anzahl an Ordenskommenden wächst bis in das Jahr 1690 auf mehr als 170 Niederlassungen an, die Standorte hospitalischen Wirkens sind.

Im Verlauf des ausgehenden 17. und im 18. Jahrhunderts erlebt der Lazarus-Orden einen einzigartigen Aufschwung und wird zu einem der bedeutendsten Orden im Königreich Frankreich. Ab dem Jahr 1720 wird die Großmeisterwürde nur noch von Mitgliedern der königlichen Familie wahrgenommen – ab 1757 stets durch die Kronprinzen des Hauses Frankreich.

Der Charakter als geistlicher Ritterorden kraft päpstlicher Gründung wird streng gewahrt – der König bleibt stets Protektor und nimmt nie die Würde des Großmeisters an. Dem Generalkapitel obliegen alle Entscheidungen und Souveränität. Dies unterscheidet den Lazarus-Orden von allen dynastischen Ritterorden des Königreiches, deren Souverän und Großmeister der König stets selbst ist.
Im Jahr 1772 säkularisiert Papst Clemens XIV. mit der Bulle “Militarium Ordinum Institutio” den Lazarus-Orden. Die institutionelle Bindung an Rom geht verloren, das Protektorat der französischen Krone besteht weiter.

Die Verbindung als Doppelorden wird 1779 durch den König gelöst.


Die französische Revolution von 1789 schwächt den Orden existenziell. Infolge der politischen Umwälzungen wird der Lazarus-Orden, wie alle anderen religiösen oder royalen Institutionen auch, im Jahr 1791 aufgehoben und verliert alle seine Besitzungen in Frankreich. Im Exil führt der Großmeister den Orden des Heiligen Lazarus jedoch weiter – während der Orden unserer Lieben Frau vom Berg Carmel erlischt.

Mit der Restauration des Französischen Königreichs im Jahr 1814 kehrt der Großmeister nach Frankreich zurück und besteigt als Ludwig XVIII. den Königsthron. Das Protektorat der französischen Krone über den Lazarus-Orden besteht in der postnapoleonischen Ära fort. Dennoch erhält der Orden seine Besitzungen, die in der Revolution konfisziert wurden, nicht mehr restituiert und verfügt damit über keine wirtschaftliche Grundlage mehr. Die Jahre bis 1830 schwächen den Orden existenziell. 

Infolge der Juli-Revolution von 1830 danken König Karl X. und der Kronprinz zugunsten seines minderjährigen Enkels Henri d’Artois ab. Als Heinrich V. lediglich acht Tage lang französischer König, ist er der letzte erbliche Protektor des Lazarus-Ordens, der offiziell diesen Titel trägt. Er findet sein Exil in Österreich, wo er auf Schloss Frohsdorf bei Wiener Neustadt residiert.

Im Jahr 1841 nimmt der unierte melkitische griechisch-katholische Patriarch von Jerusalem Maximos III. das Protektorat über den Lazarus-Orden an. Er begründet damit das spirituelle Protektorat der unierten melkitischen griechisch-katholischen Patriarchen über den Orden, das bis heute bestand hat. Der Lazarus-Orden kehrt damit zu seinen alten christlich-orientalischen Wurzeln zurück. Seither ist der Orden über das Protektorat des unierten Patriarchen, als dem höchsten katholischen Würdenträger im Nahen und Mittleren Osten, wieder institutionell an den Heiligen Stuhl angebunden. Im Jahr 1880 gründet der Lazarus-Orden mit der “Association de la Croix Vert” seine erste ordensexterne Hilfsorganisation. Dennoch ist das Ordensleben zu dieser Zeit faktisch zum Erliegen gekommen.

Als der exilierte König Henri V. als letzter erblicher Protektor 1883 in Österreich stirbt, führt dies den Orden endgültig  in eine verdunkelte Epoche. 


Der Orden wird 1910 wieder merklich aktiv. Diese neue Ära, die in Frankreich beginnt, bringt verhaltenes Wachstum.
Im Jahr 1910 wird der Orden unter Patriarch Kyrillos VIII. wieder institutionell in Frankreich ansässig und gründet sein Kanzleramt in Paris.

In den Jahren nach 1925 gelingt es dem Lazarus-Orden auch außerhalb Frankreichs in Europa wieder nennenswert fußzufassen – besonders in Spanien, den Niederlanden und Polen werden Jurisdiktionen des Ordens wiedergegründet.
Am Generalkapitel des Jahres 1935 in Epinay wird Francisco de Borbon y de la Torre, Herzog von Sevilla, zum XLIV. Großmeister des Lazarus-Ordens gewählt – er war bereits seit 1930 Generalstatthalter des Ordens gewesen. Mit dieser Wahl endet die Vakanz des Großmeisteramtes, in der der Orden durch Generaladministratoren regiert wurde und die seit 1814 bestanden hatte.

Nach der Zäsur durch den 2. Weltkrieg verlegt der Lazarus-Orden im Jahr 1956 seinen Ordenssitz wieder nach Frankreich. Der Orden erfährt in den folgenden Jahren eine prosperierende Periode, die in verschiedenen europäischen Staaten Ordenskommenden an den althergebrachten Standorten wiederentstehen lässt. Der alte Magistralkommende Boigny wird im Jahr 1967 wieder Sitz des Großmagisteriums.

Unstimmigkeiten über eine ökumenische Öffnung, die das katholischen Charakter des Ordens beenden würde, führen im Jahr 1969 in eine Situation, an der die Einheit des Lazarus-Ordens zerbricht und die eine Spaltung des Ordens hervorruft.
Als Folge dieses Zerwürfnisses teilt sich der Orden und existiert von nun an in den zwei Obödienzen von Paris und Malta fort. Dieses Schisma sollte bis 2008 andauern.
Während die Obödienz von Paris weiterhin unter dem Protektorat des unierten melkitischen griechisch-katholischen Patriarchen verbleibt, so erwählt die Obödienz von Malta den Kurienkardinal Silvio Angelo Oddi zum spirituellen Protektor.
Die Entwicklung der beiden Ordensobödienzen verläuft von nun an für die nächsten 40 Jahre getrennt.
Ungeachtet dessen, besinnen sich gerade in dieser Zeit beide Ordenszweige ganz besonders ihres hospitalischen Ordensauftrages. So setzt der Orden in dieser Periode zahlreiche caritative Initiativen um. Mehrere Versuche in dieser Zeit die Spaltung zu beenden, scheitern jedoch.
Die Pariser Obödienz besteht in dieser Zeit unter den Großmeistern aus der Dynastie der Herzöge von Brissac fort und verbleibt weiterhin unter dem spirituellen Protektorat des melkitischen griechisch-katholischen Patriarchen.
Die Obödienz Malta verbleibt unter den Großmeistern aus der Dynastie der Herzöge von Sevilla.

Im Jahr 2008 haben sich die beiden Ordensobödienzen schließlich so weit angenähert, dass eine Wiedervereinigung auch formal erfolgen kann. Alle wesentlichen Differenzen, die über 40 Jahre lang eine Vereinigung verhindert hatten konnten beseitigt werden.
Für die Würde eines neuen gemeinsamen Großmeisters, findet sich eine Persönlichkeit, die als Kandidat von Seiten beider Ordensobödienzen ungeteilte Unterstützung erhält – und in integrativer Rolle die Wiedervereinigung besiegeln und den Orden in die Zukunft führen soll.
Der Rücktritt des Herzogs von Brissac und schließlich des Herzogs von Sevilla als bisherige Großmeister der beiden Obödienzen des Ordens macht schließlich den Weg frei für die Wahl des einen neuen gemeinsamen Kandidiaten.
Seine Exzellenz Don Carlos Gereda y de Borbón, Marques de Almazan, wird im September 2008 vom Generalkapitel des Militärischen und Hospitalischen Ordens des Heiligen Lazarus zu Jerusalem zum XLIX. Großmeister des Ordens gewählt und am darauffolgenden Tag in der Kathedrale von Manchester als Großmeister installiert.
Trotz Bemühens bleiben bedeutsame Differenzen aus der Zeit des Schismas ungelöst. Der konfessionelle Gegensatz über 40 Jahre hatte zu einer Entfremdung über das Wesen des Ordens geführt. Der ausschließlich religiöse Charakter war in den nichtkatholischen Teilen über die Zeit verloren gegangen. Trotz bedeutender spiritueller Schwerpunktsetzung gelingt es dem Großmeister Marques de Almazan bis zu seinem Tod 2017 nicht, diese Tendenz umzukehren. Auch andere seiner traditionskonformen Korrekturen erliegen oftmals dem nichtkatholischen Anspruch und Ordensbild einer mittlerweile protestantischen Mehrheit.
Im Jahr 2017 folgt ihm als Generalstatthalter Seine Exzellenz Don Francisco Joaquín de Borbón y de Hardenberg nach, der 2018 zum fünfzigsten Großmeister gewählt wird.